Gibt’s mich auch in weiblich, und wenn ja, wie viele? Zur Feminisierung des Lehrerberufes in Teilzeit
Als männliche Lehrkraft mit den Fächern Deutsch und Englisch gehöre ich zu einer deutlichen Minderheit, zumindest wenn man die Webseiten der Gymnasien im Regierungsbezirk Detmold auswertet: Von 147 Lehrkräften mit dieser Fächerkombination sind gerade einmal 21 männlich.
Dennoch müsste ich wahrscheinlich lange suchen, bis ich unter den 126 Kolleginnen diejenigen finde, die es schaffen, mit dieser Fächerkombination die volle Stundenzahl von 25,5 Wochenstunden zu unterrichten.
Dabei wäre die Erteilung von 25,5 Stunden für Deutsch-, Mathematik- oder FremdsprachenlehrerInnen kein Problem, viele würden auch ohne Klagen 28 oder 30 Stunden pro Woche unterrichten - wären da nicht die Korrekturen! Diese allein haben ca. einen Umfang von 8,5 Stunden pro Woche, also etwa die Größenordnung eines Drittels des regulären Deputats obendrauf - unbezahlt natürlich. Diese Zahl ergibt sich, wenn man die von Mummert & Partner bereits vor 20 Jahren geforderten „Zuschläge für Korrekturfächer“ für eine Vollzeitstelle mit Korrekturfächern zugrunde legt, in dieser Rechnung bei einem Unterrichteinsatz zu gleichen Teilen in der Sek. I bzw. Sek II. - Diese Studie, obgleich vom Schulministerium damals für viel Geld in Auftrag gegeben, verschwand allerdings schnell von den Seiten des Ministeriums. Vielleicht passten die Ergebnisse nicht. - Ich habe ein seltenes gedrucktes Exemplar und bewahre es sorgsam auf.
Es gibt mittlerweile weit mehr weibliche Lehrkräfte mit zwei Korrekturfächern als männliche, aber weit mehr männliche Lehrkräfte in Vollzeit: Dass da ein Zusammenhang bestehen muss, ist offensichtlich.
Die meisten sind in Teilzeit geflüchtet, weil Sie ansonsten für ihre Familie und sich überhaupt keine Zeit hätten – oder schlicht um Ihre Gesundheit fürchten.
Der Copsoq-Bericht von 2015 bestätigt dabei nur die Tendenz, die wir alle an unseren Schulen zunehmend beobachten: Es sind vor allem Kolleginnen, die sich aufgrund der zunehmenden Unvereinbarkeit von schulischen Belastungen und Privatleben zur Teilzeit gezwungen sehen.
„Die Feminisierung des Lehrerberufs (Zunahme des Frauenanteils) ist eine bekannte Entwicklung der letzten Jahrzehnte: der Anteil der Frauen steigt stetig an. Auffällig ist gleichzeitig „der große Unterschied in der Teilzeitquote zwischen den Geschlechtern: während 89% der männlichen Lehrkräfte in Vollzeit tätig sind […] trifft das nur auf 53% der weiblichen Lehrkräfte zu [..].Frauen arbeiten „häufiger in Teilzeit und kompensieren damit ihren prinzipiell höheren Work-Privacy conflict schon im Vorgriff durch eine Reduktion des Deputats.“
Jüngst war in der FAS eine kurze Reportage über eine junge Korrekturfachlehrerin aus Hessen zu lesen - dass das Schicksal einer Korrekturfachlehrer es in die Frankfurter Sonntagszeitung schafft, ist zunächst schon einmal bemerkenswert - ; dann aber auch wieder nicht in Zeiten zunehmenden Lehrermangels, der bekanntermaßen in NRW zuletzt leider nur eine 2 Millionen Euro teure Kampagne des Ministeriums mit grellfarbenen grammatikfreien, anbiedernden Sprüche in der Jugendsprache ohne Realitätsbezug zeitigte.
Was lesen wir da u.a.?
Die junge Frau, […] die in diesem Text Mona heißen möchte, ist seit diesem Schuljahr Lehrerin für Deutsch und Spanisch an einem hessischen Gymnasium. Sie wollte das immer. Vor einer Klasse stehen und die Welt erklären, oder zumindest, wie ein Konjunktiv funktioniert.
Klingt nach Aufbruch, Motivation, Tatendrang.
„Die in diesem Text Mona heißen möchte“ - allein dieser Wunsch nach Anonymität einer jungen, motivierten Frau mit besten Noten verheißt aber schon nichts Gutes, denn schnell wird klar, dass sie mit diesen Fächern eine volle Stelle nicht wird durchhalten können, wie viele andere auch, aber das darf keiner wissen, denn sie ist ja noch in der Probezeit:
“Die Aufgaben als Lehrer sind in der vorgesehenen Zeit einfach nicht zu leisten. Das hat nichts mit Ineffizienz zu tun. Die Überlastung ist systemgemacht.“ Viele wollen das nicht wahrhaben, weil es so absurd ist - die 50 Stunden-Woche ist Realität:
„Eine Erhebung der Uni Göttingen von 2016 zeigte, dass Gymnasiallehrer in Niedersachsen im Schnitt 9,94 Stunden pro Schultag arbeiten. Diese Zahl ist besonders alarmierend, da zugleich knapp 45 Prozent der Lehrer in Teilzeit arbeiten.“
Am Ende bleibt die Reduktion des Deputats mit allen finanziellen Nachteilen jetzt und in der Zukunft, oftmals dann doch mit Vollzeitbelastung - hier eine Auswahl:
Arbeitskreise + Bereitschaft + Blaue Briefe + Elterngespräche + Elternsprechstunden + Elternsprechtage + Empfehlungsschreiben + Facharbeiten + Fachkonferenzen + Förderklassen + Förderpläne + Ganztag + Inklusion - Jahrgangsstufenleitung + Kernlehrpläne + Klassenfahrten + Klassenleitung + Klassenpflegschaftsabende + Lehrerkonferenzen + Lehrerrat + Lern- und Förderempfehlungen + Lernstandserhebungen + Mentorentätigkeit + mündliche Abiturprüfungen + Nachprüfungen + Nachschreibeklassenarbeiten und – klausuren + Pädagogische Konferenzen + Pausenaufsichten + Praktikantenbesuche + Prüfungsaufsichten + Referendarsbetreuung + schriftliche Abiturprüfungen + Schulgottesdienstvorbereitung + schulinterne Curricula + Schulkonferenzen + Schulprogramm + Studienfahrten + Tag der Offenen Tür + Vertretungsstunden + Zeugniserstellung bzw. -druck + Zweitkorrekturen + Listen, Ausfüllen unzähliger + Betreuung von immer mehr Praktikanten (Eignungspraktikum, Orientierungspraktikum, Berufsfeldpraktikum, Studenten im Praxissemester, Lehramtsanwärter – für alle müssen Mentorinnen und Mentoren benannt werden – qualifizierte Beratung aber braucht Zeit.....) + Förderkonzept + Schulprogramm + DELF + Chor + Selbstlernzentrum + Gesundheitserziehung + Streitschlichtung + Sport-AGs + Sport-Turniere + Bundesjugendspiele + Theater-AG + Schülerbetriebspraktikum + SV Verbindungslehrer + Berufswahlvorbereitung + Jahrgangsstufenleitung + Lehrerrat + Medienverwaltung etc.
Doch das Land NRW braucht LehrerInnen und die Ministerin macht deshalb tolle Vorschläge: Warum nicht gleich von Anfang an in Teilzeit gehen? Manchmal ist weniger halt mehr (weniger Geld, mehr Verlust, weniger Freizeit als erwartet, mehr Frust) und man kann sich frühzeitig dran gewöhnen:
Erstmals können angehende Lehrerinnen und Lehrer in Nordrhein-Westfalen ihren Vorbereitungsdienst auch in Teilzeit absolvieren. […] Schulministerin Yvonne Gebauer erklärte mit Blick auf das neue Ausbildungsmodell: „Wir wollen ein moderner Arbeitgeber sein und bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf neue Wege gehen. Mit pragmatischen Lösungen wird dem Nachwuchs der Einstieg in den Lehrerberuf erleichtert.“ Die Ministerin betonte, dass es heute immer mehr darauf ankomme, auch der persönlichen Lebenssituation der Bewerberinnen und Bewerber gerecht zu werden.“
Mona wird’s freuen, dass man ihrer persönlichen Lebenssituation so endlich gerecht wird, und wenn es alle so machen, gibt es bestimmt bald viel mehr Lehrkräfte, vor allem Frauen:
„Auf lange Sicht kann diese Möglichkeit auch einen Beitrag zur Verringerung des Lehrermangels leisten“ so die Ministerin.
Läuft! Hans-Martin Chee